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GEDANKEN Anlässlich der Jubiläumsausstellungs

meines Vaters Lothar Bühner

 

" Sie sehen hier eine Ausstellung mit dem Titel „Sein Lebenswerk“…und doch ist hier natürlich nur ein Bruchteil von dem zu sehen, was er wirklich in seinem Leben alles gearbeitet und geleistet hat.

Und sie als Kunstinteressierte und Kunstsammler haben ihn mit ihrem Interesse an seiner Arbeit zu diesem Schaffen ermutigt, haben ihn motiviert, weiter an sich zu arbeiten und an sich zu glauben. Dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken.

Sie sehen hier die vollendeten Arbeiten…wir durften teilhaben am Prozess des Schaffens….sahen und erlebten wie hart er dafür gearbeitet hat. Er war stets kritisch im Umgang mit seiner eigenen Arbeit…jedes seiner Stücke hat er erst einmal für sich selbst gemacht….so als würde er es immer um sich haben wollen. Und es gibt für einen Künstler nichts Schlimmeres als eine eigene Arbeit mit der man nicht zufrieden ist um sich haben zu müssen. Also hat er gearbeitet, bis der für ihn optimale Zustand erreicht war. Als ebenso künstlerisch tätiger Sohn gab es da stets einen intensiven Austausch, und bei weitem nicht nur eitel Sonnenschein, dazu waren wir doch zu unterschiedliche Menschen und Künstler.

Vor gut zwei Jahren begannen zusammen mit Frau Dr. Astrid Scherpf die Gespräche über eine mögliche Jubiläumsausstellung seitens des Landkreises Rhön-Grabfeld über das künstlerische Lebenswerk meines Vaters. Sein 80. Geburtstag kam in Sichtweite und er war noch immer voller Tatendrang. Ausstellungort sollten die Räumlichkeiten im ehemaligen Kloster von Wechterswinkel sein.

Seine Schaffenskraft und sein Wille sollten auch bis zu seinem letzten Lebenstag andauern. Beides zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben und sein künstlerisches Arbeiten.

Mein Großvater verbot ihm als damals Jugendlicher zu schnitzen und bestand darauf die väterliche Landwirtschaft in Sandberg zu übernehmen. Doch er arbeitete für sich, schnitzte unbeobachtet kleine Figuren in einem leerstehenden Schafstall. Heimlich schaffte er die Aufnahmeprüfung an der Holzschnitzschule von Bischofsheim. Nur drei von 30 Bewerbern wurden aufgenommen. Vor vollendete Tatsachen gestellt verweigerten seine Eltern ihre Zustimmung.  Doch sein Wille, Bildhauer werden zu wollen, konnte niemand brechen.

Als er nach der Hochzeit mit seiner Frau und meiner Mutter Barbara Bühner, 1957  nach Bad Neustadt an der Saale in die Gartenstadt zog, war noch lange nicht in Sicht, dass er sein künstlerisches Talent auch zum Beruf machen könne. Nach dem Hausbau 1960 arbeite er im Schichtdienst bei der Firma Preh als Dreher.  Abends, nach seiner Arbeit in der Fabrik, schnitzte er in einem umgebauten Kellerraum.

Durch die Unterstützung meiner Mutter, die als Sekretärin, ebenfalls bei der Firma Preh, das notwendige Geld zum Leben verdiente, konnte er endlich im Jahr 1964 an der Holzschnitzschule Bischofsheim/Rhön, bei dem damaligen Schulleiter August Bolz, eine Ausbildung zum Holzbildhauer beginnen. Nach nur neun Monaten konnte er vorzeitig seine Lehrzeit beenden. Herr Bolz meinte zum Abschluss: “…..was hätte ich Ihnen noch beibringen können Herr Bühner“!? Mit einer Sondergenehmigung legte er seine Gesellenprüfung vorzeitig ab und blieb ein weiteres Jahr als Gastschüler an der Schule.

Während dieser Zeit begann seine Begeisterung für die filigranen Holzarbeiten des gotischen Bildschnitzers Tilman Riemenschneider. Eine Leidenschaft die ihn sein ganzes Leben nicht mehr losgelassen hat. Neben seinen eigenen Entwürfen aus Holz, Stein und Bronze faszinierten ihn handwerklich wie künstlerisch die wundervollen Arbeiten des Würzburger Bildschnitzers. Ein Höhepunkt war sicherlich 1976 die Beauftragung zur Anfertigung von Kopien für den Münnerstädter Magdalenenaltar, mit der Hauptfigur der überlebensgroßen Maria Magdalena.

Immer wieder entstanden genaue Kopien nach noch vorhandenen Gipsabgüssen der Originalfiguren, aber auch Arbeiten im Stile Riemenschneiders, so sehr hatte er dessen Handschrift im Laufe seines Schaffens verinnerlicht, z.B. das „Hübsch Marienbild“ als Ergänzung des Münnerstädter Altares, die Figurengruppe „Cosmas und Damian“,  oder die Weihnachtskrippe im Stile von Tilman Riemenschneider.

Neben der Schwierigkeit des „knisternden“ Faltenwurfes war im Besonderen das genaue Kopieren der ornamental gestalteten Haare in den Figuren Riemenschneiders die größte Herausforderung. Ein Schneiden und ein gleichzeitiges Ziehen der Schnitzeisen, ohne dass die entstanden feinen Grate im Holz dabei brechen dürfen..…immer wieder eine echte Herausforderung für meinen Vater.

Nun könnte man glauben,  er hätte mit den „leichteren“ Teil an seinen Kopien begonnen….nein….stets waren es die Haare und die Gesichter mit denen er seine Arbeit begann. Und er freute sich wie ein beseeltes Kind darauf, im Stile Riemenschneiders, Haare in seine Lindenholzfiguren schneiden zu dürfen.

Genug war für ihn nie genug, er wollte seine erreichte Qualität immer wieder übertreffen.

Weder in der Malerei noch in der Bildhauerei geht es darum, ein naturgetreues Abbild zu schaffen. So etwas kann nur Laien blenden. Erst die gekonnte Vereinfachung  stellt einen künstlerischen Wert dar.

Seine eigenen Entwürfe, angefangen von den wunderbar stimmungsvollen Weihnachtskrippen, von sakralen wie profanen Figuren und Reliefs, leben von liebevoll beobachteten und gestalteten Details, von Stimmungen, ohne aber überfrachtet und kitschig zu wirken.

Man könnte meinen, er hätte all seine Figuren persönlich gekannt und für eine spätere Darstellung genau beobachtet. Oft hat mein Vater seine Skulpturen aus einem alten aber trotzdem harten Eichenholzblock geschnitzt. Die Oberflächen, gerade in Eiche, waren meist gefeilt. Das Feilen ermöglichte  gespannte Formen, hinterließ  aber immer wieder auch deutlich sichtbare Arbeitsspuren an seinen Händen. Ebenso wie das finale Schleifen der geschnitzten Riemenschneiderkopien.

In der Gotik bediente man sich noch mit Schachtelhalmen, um die Oberfläche zu straffen

Mein Vater verwendete Sandpapier in unterschiedlichen Körnungen. Scheinbar keine wirkliche Arbeitserleichterung. Er klagte anschließend immer wieder über „dünngeriebene Haut“ an seinen Fingerkuppen.

Im Übrigen entstanden seine Vorentwürfe meist schon aus Gips. Er schweißte und baute aufwendige Gerüste, um dann seine Figuren in Gips aufzubauen und das gehärtete Material zu bearbeiten. Der weiche Ton als Arbeitsmaterial wurde nie sein „Freund“.

Oft suchte man ihn am Sonntagmittag und fand ihn in seinem Atelier, in das er eigentlich nur kurz vorbeischauen wollte, und doch wieder an seiner Arbeit hängen blieb.

Wenn er dann Pause von der Bildhauerei brauchte und die notwendige Zeit dafür fand, widmete er sich der Malerei. Seine Ölbilder, die er mit ruhiger Hand, voller Hingabe und mit ungewohnter Geduld malte, waren die absolute Entspannung für ihn.

Mein Vater hat sein Leben gelebt und vollendet, war getrieben und erfüllt von seiner Kunst, sein künstlerischer Weg war Bestimmung.

Keine Herausforderung schien ihm in seiner Kunst zu groß, er schob nichts vor sich her, packte jede Herausforderung mit scheinbar unermüdlichen Kräften an, war bewundernswert selbstkritisch und gleichzeitig dankbar für jede Kritik von außen.

In jedem Atemzug blieb er in seinem Leben authentisch und bescheiden, seine Arbeiten sind unverwechselbar. Er war ein Mensch mit Charakter und Charisma, nicht immer einfach, aber mehr als liebenswert."

 

Martin Bühner

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